Was tatest du am Tag von Trumps Sieg?

dsc_0572„Ich? – Ja, natürlich erinnere ich mich. Mein Tag begann mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette (damals habe ich noch Tabak geraucht). Die Nachricht erreichte mich auf dem Klo, nachdem ich mein Smartphone angeworfen hatte.“

„Danach? – Ich zog mich an, ich musste zur Arbeit, an historischen Tagen kriegt man ja keinen Sonderurlaub. Ich ging noch kurz ins Schlafzimmer und sagte es meiner Mitbewohnerin, die dann nicht mehr einschlafen konnte – am Abend hat sie mir das vorgeworfen, sie war richtig sauer deswegen, mehr als wegen Trump.“

„Im Bus war eigentlich alles wie immer – Schüler, die auf ihren Smartphones spielten,  Kinderwagenmütter, Wäsche- und Rasierwassergeruch, Stau in Oberbilk. Ich hing natürlich auch vor dem Smartphone, postete bei Facebook: ‚Schon wieder so ein scheiß historischer Tag!‘ und wechselte dann dauernd zwischen SPIEGEL, Focus und CNN, bis es mir auf den Keks ging. Er hatte halt gewonnen, der Verlauf der Wahlnacht war mir egal.“

„Der Zug war dann so vorbildlich pünktlich da, dass ich keinen Bock hatte, gleich auf den Bahnsteig zu gehen, weil die ganzen Leute aus dem Zug die Treppe runterströmten. Von unten gesehen, ein bedrohlicher Anblick. Man konnte übrigens durchaus hoch gehen, es passierte einem nichts, man wurde nicht niedergetrampelt, man musste bloss durch die ganzen Parfümwellen durch, aber an diesem historischen Tage? Ich dachte, die eine Scheiße reicht mir, das muss ich mir heute nicht auch noch antun. – Ich ging dann später, da war nur noch ein Nachzügler auf der Treppe, ein alter Mann mit Trolli.“

„Im Zug gefiel mir dann die Mucke in meinen Ohren nicht – Al Green, den hatte ich am Vortag noch richtig genossen. Aber jetzt ging er mir auf den Nerv, die immergleichen Bläser, die immergleiche Orgel, das monotone Schlagzeug, die Stimme. Das war natürlich die historische Situation: Wenn gerade die Erde bebt, weil man den Marshmallow-Mann aus ‚Ghostbusters‘ zum US-Präsidenten gewählt hat, ist das für Soft-Soul der falsche Moment. Und abgesehen vom Planeten vibrierte in meiner Brusttasche dauernd das Smartphone, weil ich Kommentare zu meinem Spruch bekam. Ich hab sofort alle geliked, weil so selten jemand auf meine Posts reagierte. Eine Bekannte schlug vor, alten Männern das Wahlrecht zu entziehen, aber ich war 2016 schon zu alt, um das cool zu finden.“

„Vor Krefeld blieb der Zug stehen, und der private Lokführer meckerte über die Deutsche Bahn: ‚Da kann man vorbildlich pünktlich sein, wenn die anderen nicht wollen, klappt trotzdem nichts.‘ Der Bus war also weg – ‚Passt‘ dachte ich. Es war auch kalt und nieselte und jemand hatte auf den Bussteig gekotzt, aber wohl schon während der langen Wahlnacht, nicht erst vor fünf Minuten. – So ging der Tag weiter, es war eben ein scheiß historischer Tag.“